Presse 17.12.2014
Interview der Woche: Waldhof-Trainer Kenan Kocak über die ersehnte Rückkehr in den Profi-Fußball und die Perspektiven des Mannheimer Traditionsvereins
„Frage der Zeit, bis der Erfolg kommt“
Von unseren Redaktionsmitgliedern Thorsten Hof und Alexander Müller
Mannheim. Er ist das Gesicht des "neuen SV Waldhof": Seit Kenan Kocak vor anderthalb Jahren als Cheftrainer und Sportlicher Leiter zum Mannheimer Traditionsverein kam, gehören die Chaos-Tage beim Fußball-Regionalligisten der Vergangenheit an. Im Interview erklärt der 33-Jährige, wie es der SVW zurück in den Profifußball schaffen kann, spricht über die Bedeutung einer stringenten Vereinsphilosophie auf dem Weg zurück nach oben und warum er höher dotierte Angebote anderer Vereine ausschlug.
- Belegen Sie nach der überraschenden Absage des Derbys beim 1. FC Kaiserslautern II in der Winterpause einen Grundkurs zum Thema "Rasenpflege unter den besonderen klimatischen Bedingungen des Pfälzer Walds"?
Kenan Kocak (lacht): Nein, die Bedingungen dort waren bestimmt nicht das Gelbe vom Ei, so dass man die Absage nachvollziehen kann. Aber wenn das Profiteam des FCK ein Heimspiel gehabt hätte, wäre mit Sicherheit angepfiffen worden.
- Aber Sie haben mit der Aktion für die Fans am Bahnhof gut reagiert.
Kocak: Das war eine spontane Idee von Mannschaft und Trainerteam. Wir haben das eigentlich geplante Abschlusstraining abgesagt und die Fans am Hauptbahnhof empfangen. Als ein kleines Dankeschön für die grandiose Unterstützung.
- Kommen wir auf die abgelaufene Halbserie zu sprechen. Der SVW liegt mit 26 Punkten im Mittelfeld der Tabelle auf Rang elf, bei einem Spiel weniger aber auch nur drei Zähler vor den potenziellen Abstiegsrängen. Sie haben selbst gesagt, es sei eine Hinrunde "mit vielen ungünstigen Begleiterscheinungen" gewesen. Können Sie das einmal präzisieren?
Kocak: Wir haben mit vielen Nackenschlägen zu kämpfen gehabt. Seien es die Trainingsbedingungen, der Spielplan oder das Verletzungspech. Aber die Mannschaft ist immer wieder zurückgekommen und hat gute Reaktionen gezeigt. Und dass, obwohl wir ein neu zusammengewürfeltes Team haben, das mit bescheidenen Mitteln arbeiten muss. Da sind wir schon zufrieden.
- 26 Punkte sind also das, was man unter diesen Bedingungen erwarten konnte?
Kocak: Wir sind in diese Runde nicht mit irgendwelchen Zielen gestartet. Für mich als Trainer war es von Anfang an ein riskanter Weg: Wir haben eine komplett neue Mannschaft zusammengestellt, teilweise mit Spielern, die bei ihren Vereinen nicht mehr gefragt waren und haben versucht, eine Mannschaft auf die Beine zu stellen, die in unseren finanziellen Rahmen passt. Wir wollen die Jungs täglich weiterentwickeln. 26 Punkte ist deshalb weder gut noch schlecht. Die Art und Weise, wie die Mannschaft gearbeitet und sich präsentiert hat, stimmt uns für die Zukunft sehr positiv, auch wenn wir sicher ein paar Punkte unnötig verschenkt haben.
- Aber es sind nur drei Zähler bis zur gefährdeten Zone . . .
Kocak: Ich sehe das Glas immer halbvoll. Wir werden am 17. Januar mit dem Training starten, uns voll auf die Rückrunde konzentrieren und dann bin ich fest davon überzeugt, dass wir mit den unteren Rängen nichts zu tun haben werden.
- Und was macht Hoffnung, dass es nach der Winterpause besser wird?
Kocak: Die Jungs haben einen guten Charakter, haben Willen und arbeiten gut. Und wir haben in der Hinrunde gezeigt, dass wir uns vor keiner Mannschaft verstecken müssen. Zuletzt mehrten sich die Anzeichen der Besserung. Die wirtschaftliche Liga entspannt sich, mit Leistungsträgern wie Robin Neupert oder Philipp Förster konnten die Verträge langfristig bis 2017 verlängert werden.
- Mehr als ein halbes Dutzend Stammkräfte bleiben am Alsenweg. Greift der Waldhof in der nächsten Saison mit einer eingespielten Mannschaft oben an?
Kocak: Es ist noch zu früh, das zu beantworten. Ich weiß noch nicht endgültig, wie unsere finanziellen Mittel für die nächste Saison aussehen werden. Wir haben mit den Leistungsträgern verlängert, von denen wir absolut überzeugt sind. Da wird sicher noch der eine oder andere dazukommen. Aber um sagen zu können, wir wollen nächste Saison oben mitspielen, müssen wir wissen, welchen wirtschaftlichen Rahmen wir haben. Mit dem Etat von dieser Saison könnte das Ziel wieder nur Klassenerhalt lauten.
- Wann wird denn klar sein, mit welchem Etat Sie in der kommenden Saison planen können?
Kocak: Ich hoffe, dass wir das in den nächsten vier bis acht Wochen hinbekommen. Aber für mich ist wichtig: Kontinuität ist die Basis für den Erfolg. Deshalb hoffe ich, dass wir den Großteil der Mannschaft zusammenbehalten können und uns noch einmal punktuell verstärken.
- Hat die Marke Waldhof in dieser Saison wieder dazugewonnen?
Kocak: Ich denke, wir haben schon eine sympathische Mannschaft, mit der sich die Fans identifizieren. Das war auch für mich sehr wichtig. Wir haben Spieler geholt, die genau wissen, was es bedeutet, für Waldhof Mannheim zu spielen.
- Das ist dann die Basis, um wirtschaftlich wieder etwas draufzusetzen?
Kocak: Wir haben aktuell nicht die Mittel, um uns Spieler aus höheren Ligen zu verpflichten, die uns sofort weiterbringen. Deshalb müssen wir den riskanten Weg gehen: Junge Spieler aus der Region holen und versuchen, sie durch tägliche Arbeit besser zu machen.
- Was tendenziell schwieriger ist . . .
Kocak: Natürlich hätte ich auch gerne einen Etat von fünf Millionen und damit fertige Spieler geholt - dann hätte ich viel weniger Arbeit. So muss ich bei den Basics anfangen. Aber ich bin Waldhöfer, ich stand selbst in der Kurve, deshalb mache ich das auch gerne.
- Ihr Vertrag läuft bis 2017, Sie gelten als ambitionierter und auch bei anderen Vereinen gefragter Trainer. Wie viel Geduld bringen Sie mit dem Projekt Waldhof auf?
Kocak: Das kann ich so nicht beantworten. Ich habe mich dafür entschieden, in einer schweren Zeit den Weg mit dem SV Waldhof Mannheim zu gehen. Ich hätte auch anderswo hingehen können, wo ich viel mehr verdient hätte. Aber ich will dem Verein in dieser schwierigen Phase einfach helfen.
- Und wo gehört der Verein hin?
Kocak: In den Profifußball.
- Und wann?
Kocak: Gute Frage. Das hängt natürlich alles vom lieben Geld ab.
- Wenn Sie am Montagmorgen die Zeitung aufschlagen, sehen Sie Paderborn, Augsburg und Mainz in der Bundesliga, Vereine wie Heidenheim, Aalen oder Sandhausen in der 2. Liga. Packt Sie da nicht der Frust, dass der große Fußball-Traditionsstandort Mannheim seit über zehn Jahren in der vierten oder fünften Liga feststeckt?
Kocak: Das nicht. Aber es zeigt, dass man irgendwann anfangen muss, konzeptionell zu arbeiten. Man darf nicht einfach von Jahr zu Jahr arbeiten. All diese Vereine, die Sie eben aufgezählt haben, haben ein Konzept, einen Plan, der hundertprozentig durchgezogen wird. Und alle diese Klubs hatten Phasen, wo sie abgestiegen sind oder sechs, sieben Spiele am Stück verloren haben. Aber die Vereine haben immer die Ruhe behalten und weiter in ihrer Philosophie gearbeitet.
- Was heißt das für den SVW?
Kocak: Genau da müssen wir beim SV Waldhof auch hinkommen: Wir haben unseren Weg, lassen uns nicht von Nebengeräuschen von ihm abbringen und ziehen ihn gnadenlos durch. Dann ist der Verein auch gesund aufgestellt und es ist egal, wer Trainer ist. Spieler, Trainer, Betreuer kommen und gehen - der Verein bleibt. Dafür stehe ich: Ich bin Mannheimer, ich mache hier nicht nur meinen Job und habe meinen Lebensmittelpunkt woanders. Deshalb versuche ich, das Maximale für den Verein herauszuholen.
- Gibt es dieses Konzept schon?
Kocak: Ja, das sieht man doch, hoffe ich.
- Gerade beim Weg mit Talenten besteht aber das Problem, dass man die Guten von größeren Vereinen weggeschnappt bekommt.
Kocak: Damit muss man immer rechnen, wir sind immer noch Viertligist. Wir haben in der Region eine starke Konkurrenz, auch im Jugendbereich. Deshalb müssen wir mehr machen als die anderen: Besser scouten, mehr unterwegs sein, wir dürfen uns nicht zu schade sein, auch die unteren Ligen im Blick zu haben. Nur so haben wir Chancen, gute Jungs zu entdecken. Und ein gewisses Risiko gehört auch dazu: Den Mut haben, Spieler zu holen, die bei ihren Vereinen nicht gesetzt sind, aber ihre Qualitäten erkennen und ob sie in unser Konzept passen.
- Als der Waldhof 2002/2003 zum letzten Mal in der 2. Bundesliga gespielt hat, gab es Hoffenheim noch nicht auf diesem Niveau. Inwieweit ist die TSG ein Hemmschuh, dass der SVW wieder nach oben kommt - zum Beispiel im Kampf um die besten Talente?
Kocak: Damit haben auch andere Vereine zu kämpfen. Wenn Augsburg einen guten Jugendspieler hat, wird der auch von Bayern München umworben. So ist eben das Geschäft. Ich finde, es ist ein Unterschied, ob man gegen etwas oder für etwas arbeitet. Wir dürfen nicht gegen Hoffenheim arbeiten, sondern müssen für den SV Waldhof arbeiten. Wir müssen auf uns schauen, endlich unser Konzept knallhart durchziehen und dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis der Erfolg kommt.
- Früher war der Waldhof der Magnet, der alles angezogen hat. Aber mittlerweile ist durch Hoffenheim und Sandhausen in der 2. Liga doch eine andere Konkurrenzsituation in der Region entstanden . . .
Kocak: Das stimmt, aber wir haben ein ganz großes Plus: Das sind unsere Fans. Weder in Hoffenheim noch in Sandhausen ist die Fanszene so vorhanden wie bei uns. Da sind wir einen Schritt voraus und das müssen wir irgendwann auch ausnutzen. Die Freude der Fans ist unsere Motivation. Und wir wollen unseren treuen Anhang dafür mit positiven Erlebnissen beschenken.
- Sind die Fans auch manchmal ein Ballast?
Kocak: Im Fußball ist es so: Wenn die Ergebnisse stimmen, sind alle zufrieden. Wenn nicht, läuft es andersherum. Aber ich denke, die Waldhof-Fans sind in dieser Hinsicht gut.
- Gehören die Fans auch zum Konzept? Etwa, um potenziellen Neuzugängen zu zeigen: Wenn ihr bei uns spielt, habt ihr die direkte Resonanz?
Kocak: Ich sage immer wieder: Die Mannschaft, die ich jetzt zusammengestellt habe, ist auch die Mannschaft der Fans. In Gesprächen mit neuen Spielern höre ich immer wieder: Ihr habt geile Fans, ein tolles Stadion, da wollen wir spielen. Das ist ein Pluspunkt bei Verhandlungen, den ich auch ausnutze. Ohne die Fans hätte ich den einen oder anderen Spieler nicht holen können, weil sie wahrscheinlich bei jedem anderen Regionalligisten mehr Geld bekommen als bei uns.
- Warum ist es so schwer, im siebtgrößten Ballungsraum Deutschlands und in einer wirtschaftlich starken Region potente Sponsoren an Land zu ziehen?
Kocak: Der Verein hat in den vergangenen Jahren eben nicht konzeptionell gearbeitet. Finanziell wurde oft ein Minus gemacht. Mittlerweile geben wir nur das aus, was wir haben. Das ist auch vernünftig und man muss dem Vorstand ein Riesenkompliment dafür aussprechen. Als Waldhöfer bin ich heilfroh darüber, als Trainer würde ich mir natürlich ein paar Euros mehr wünschen.
- Ist die Doppelfunktion als Trainer und Sportlicher Leiter auf Dauer ideal?
Kocak: Ich stehe zwar als Trainer immer ein bisschen im Vordergrund, aber es gibt ein gut funktionierendes Team hinter mir, deshalb ist die Belastung für mich nicht so hoch. Aber wir haben auch nicht die finanziellen Mittel, einen Sportlichen Leiter zu holen. Dafür verpflichten wir lieber einen neuen Spieler.
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