Trainingslager Seefeld 1987

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Knallharte Trainingsarbeit im Tiroler Ferienort Seefeld

Trainingslager - für den 45jährigen Osterrei­cher auch die Chance, durch lockere, wenngleich gezielte Gespräche, das Modell des mündigen Spie­lers, der mitredet, mitbe­stimmt, Verantwortung zu übernehmen lernt, zu for­cieren. Zehn Tage weilte das Bundesliga-Team der Blau-Schwarzen im Trainingslager in Seefeld in Ti­rol, zehn Tage lang leistete die Truppe in 19 Trainingseinheiten Knochenarbeit. Aber das Team, das neun neue Spieler aufnehmen musste, wuchs menschlich zusammen. „Mir ist's, als wären die schon immer bei uns", freut sich Fußball­ Boß Richard Wirth über die augenscheinlich sehr gute Integration von Lux, Bockenfeld und Kollegen. Felix Latzke: „Das ist bei uns gar kein Problem. Es gibt keine Gruppenbildung, hier die alten, da die neuen Spieler. Die reden miteinander. Der Geist und das Klima in der Truppe sind gut."

Seefeld, Tirol: 1800 Einwohner, 10.000 Fremdenbetten. Früher lebte der idyllisch gelegene Fremdenverkehrsort praktisch nur vom Wintersport. Heu­te öffnen die Häuser - so auch das 200-Betten-Hotel „Zur Post", das zweitgrößte Haus am Platz, und zehn Tage Domizil der Waldhöfer - auch zur Sommerzeit. Daß Seefeld und die „Post" den Zuschlag erhielten hat eine personifizierte Ursa­che in Gestalt von „Post"­ lnhaber Helmut Schneider-Kahre, einem Tiroler Original („Seefeld hat 1800 Einwohner, 1600 sind In­zucht, 200 Originale").

Der Hotelier kennt Richard Wirth seit 13 Jahren. So­ lange schon ist der Mann­heimer Fußball-Chef im Winter Gast in Seefeld. Seit zwei Jahren kennt Schnei­der-Kahre auch Felix Latz­ke, der mit dem FC Swarovski Tirol vor Heimspie­len im Hotel „Zur Post" Quartier bezog. Eines schönen Tages, der Hote­lier hatte die Latzkes zum Essen eingeladen, als schon feststand, daß Happel neuer Swarovski­ Coach werden würde, ver­riet der Coach, daß er am liebsten in die Bundesliga möchte. Helmut Schneider-Kahre eilte spontan zum Telefon, rief seinen al­ten Freund Richard Wirth an. Der heiße Draht zwischen Waldhof und Latzke glühte. Tage später war der Zwei-Jahres-Kontrakt zwi­schen dem Mannheimer Bundesligisten und dem österreichischen Erfolgs­trainer unter Dach und Fach. Ehrensache für Latz­ke und den SV Waldhof, dass man in der Post ab­stieg.

"Wir machen nichts besonderes, weil die Spieler hier sind. Wir wollen sie aber verwöhnen. Das haben wir uns zur Aufgabe gemacht", verriet Schnei­der-Kahre augenzwinkernd. Und verwöhnt wur­den alle. Der Wäscheberg, der bei hart arbeitenden Profis anfällt, wurden von den Waschmaschinen des Hauses abgetragen. Zeugwart Herbert Korbus, der Pech hatte, sich einen Rippenbruch zuzog, und Gattin Rosel, hatten ideale Bedingungen in der eigens für sie improvisierten Klei­derkammer. Minutiös wurde den auf dem Trainingsplatz hart geforderten Kickern das Essen serviert. Wenn die Spieler abends nach 22 Uhr von Testspielen heimkehrten, fuhr Schneider-Kahre oft noch vier- oder fünf­gängige Menüs auf.

„Nichts großes, kleine Por­tionen, mit Besonderhei­ten", schmunzelte der Hotelier vielsagend. Am 6. August im Heimspiel gegen Borussia Dortmund will sich Helmut Schnei­der-Kahre („ich bin ein Fan der Bundesliga") überzeugen, wie seine Kost ange­schlagen hat.

„Uns wird jeder Wunsch von den Augen abgelesen. Der Helmut ist da schon genial", lobt Richard Wirth. „Die Bedingungen sind op­timal", frohlockt Cheftrai­ner Latzke mit Blick auf den nagelneuen Rasenplatz, den die Waldhöfer einweih­ten. Im Hotel gibt's eine Sauna, auch die Medizinmänner Robert Schreiner und Uwe Flippert fanden vortreffliche räumliche Möglichkeiten vor, die Muskeln von Schön, Dickgießer und Kollegen zu kneten, die Wehwehchen von Lippmann, Ockert und Zimmermann zu kurieren.

„Schön, aber hart", befin­det Jörg Neun die Arbeit in Seefeld. „Wir haben wahnsinnig viel getan, unheim­lich hart trainiert. Aber es hat viel Spaß gemacht", at­testiert Alfred Schön. „Ich bin kaputt", schnauft der Ex-Düsseldorfer Manfred Bockenfeld schwer - Stunden später beim 13:0-Testspielsieg beim viertklassi­gen SK St. Johann läuft „Bocki" bereits wieder zu großer Form auf, bereitet bei seinem 45-Minuten­ Auftritt vier Tore vor.

„Super, seine Flanken", schwärmt Alfred Schön, derweil Bockenfelds Saat vor allem von Bernd Klotz geerntet wurde. 17:0 gegen den Kreisligisten FC See­feld, 7:1 gegen den fünft­klassigen FC Zirl, 13:0 ge­gen den viertklassigen SK St. Johann, wo der Bür­germeister Felix Latzke ei­nen Tiroler Hut vermachte, 11:0 gegen den drittklassi­gen SV Haiming - die Testspiele gegen „bewußt leichte Gegner, die wir noch locker schlagen konnten, obwohl wir kaputt waren" (Latzke) wurden und werden nicht überbewertet. „Das war zum Einspielen", befand der neue Co-Trai­ner Günter Sebert, der in seiner neuen Aufgabe auf­geht und aufblüht. „Genau so habe ich mir das vorgestellt", schwärmt das 39jährige Waldhof-Idol über die Zusammenarbeit mit Latzke. Sebert fühlt sich in die Entscheidungs­findung einbezogen, freut sich, Mit-Verantwortung zu tragen. „Latzke und der Günter verstehen sich an­ scheinend ausgezeich­net", freut sich Richard Wirth, der den neuen Chef­trainer als Team-Arbeiter kennen und schätzen lernte.

Mit typisch Wiener Schmäh macht Latzke sei­nen Schützlingen (oft) lachend Beine. Der Wiener, der seit 1969 Trainer ist, schon in den beiden letzten Jahren seiner aktiven Laufbahn Jugendtrainer war, ist ein Mann, der die lange Leine an harter Hand führt. Im Trainingslager war um 22.30 Uhr Zapfen streich. „I geh doch ned auf jedes Zimmer, deck sie zu und geb ihn a gute Noacht­kuss", setzt Latzke auf die Vertrauensbasis. Aber: Vertrauen ist gut, Stichproben sind besser, zudem kennt der Wiener aus seinen lnnsbrucker Tagen wohl jeden Kellner im Hotel, jeden Schleich­- und Schlupfwinkel und hätte wohl sehr schnell gewusst, wenn der Strafka­talog hätte ausgepackt werden müssen. Latzke: „Die Disziplin ist gut. En­gagement und Fleiß stimmen. Ich muß hier weit we­niger schreien als früher in Österreich."

„Der Trainer sagt, jeder muß wissen, was für einen gut ist", sieht Karl-Heinz Bührer in der freieren Frei zeitgestaltung ein Plus. Die Zeit, die das Training ließ, nutzte er weitgehend zum Billardspiel mit Jörg Neun. Auf der Rodelbahn bewies sich Bührer als schnellster Waldhöfer. „Das war eine Riesen-Gaudi, mit Start nummern und elektronischer Zeitmessung", er­freute sich Alfred Schön an dem spektakulär-rassigen Geschehen. „Die Spieler müssen speziell im Trai­ningslager auch mal etwas anderes als Fußball erle­ben", stimmte Felix Latzke dem Besuch im nahen Spielcasino zu.

Werner Heck und Peter Lux, auf Anhieb Spezis ge­worden, mussten erleben, wie ihr Gewinn, den sie aus der 200 Schilling-Morgen gabe des Spielbank-Direk­tors schöpften, unter den Fingern zerrann. Rien ne va plus. Nichts ging mehr.

Quelle: Horst Konzok in SV Waldhof-Magazin zum Stadionfest 1987/1988, Seite 3

Testspiele

Sp. Datum Uhr Ort Heim Aus Erg. Bericht
1. So., 12. Juli 1987 FC See­feld - SV Waldhof Mannheim 0:17
2. Di., 14. Juli 1987 FC Zirl - SV Waldhof Mannheim 1:7
3. Mi., 15. Juli 1987 SK St. Johann - SV Waldhof Mannheim 0:13
4. Fr., 17. Juli 1987 SV Haiming - SV Waldhof Mannheim 0:11

Bilder

Einzelnachweise



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